am 18.07.2023 - 09:07 Uhr
Im März 2020 lernte Jürgen Hardkop das Konzept „Digitaler Zwilling (DZ) der Gebäudeautomation mit BACnet“ für das Österreichische Bundesheer (ÖBH) kennen und im Oktober 2020 ein anderes DZ-Pilotprojekt für GA-Systeme der Universität Basel. Gemeinsam mit Eike Hinck, zuständig für Energiemanagement bei der Gebäudewirtschaft der Stadt Köln und Obmann der „BACnet 2017“, entwickelte er im AMEV AK BACtwin aus den besten DZ-Ideen des ÖBH, der Uni Basel, des AMEV und vielen anderen das neue BACtwin-Konzept, das aus der BACtwin-Bibliothek (siehe Grafik: gelbe Blöcke) und einer BACtwin-Beschreibung besteht.
Die zentralen Elemente der BACtwin-Bibliothek sind zwei erweiterte AMEV-Profile (AS-C und AS-D), die neuen Objekt-Templates (-Vorlagen) und Aggregate-Templates sowie das maschinenlesbare Benutzeradressierungssystem BACtwin-BAS.
Die Objekt-Templates definieren mehr als 250 Standard-GA-Funktionen mit jeweils einem BACnet-Objekttyp, den zugehörigen Properties und den empfohlenen Standard-Parametern. Die Aggregate-Templates definieren für circa 80 Standard-Aggregate (zum Beispiel Pumpe, Ventil, Ventilator) jeweils eine praxisorientierte Standardausstattung an GA-Funktionen.
Ziele des BACtwin sind weitmögliche Standardisierung, Digitalisierung und Automatisierung der Gebäudeautomation mit BACnet. Das Datenmodell ist als transparentes, zukunftssicheres Baukastensystem in Anlehnung an die Open-Source-Idee konzipiert. Es kann zum Beispiel in Bürogebäuden, Hochschulgebäuden oder Kliniken universell genutzt werden.
Damit Software-Tools (siehe Grafik: grün und blau) die Vereinfachung, Fehlervermeidung und Qualitätsverbesserung mittels BACtwin unterstützen können, müssen die Vorlagen der BACtwin-Bibliothek beispielsweise in Planungs-Tools importiert werden. BACtwin-fähige Tools für Planung, Engineering, Betrieb (blau) und spezialisierte Prüf-Tools (grün) sollen verlustfreien Datenaustausch und möglichst effiziente, IT-gestützte GA-Anwendungen unterstützen.
Das Benutzeradressierungssystem BACtwin-BAS ist entscheidend für die Qualität (beispielsweise Struktur, Logik) und den Umfang (beispielsweise Gewerke) der Datenkommunikation in BACtwin-Projekten. Da bisher genutzte BAS nicht für standardisierte Datenmodelle optimiert und zum Beispiel nicht maschinenlesbar sind, hat der AMEV AK BACtwin - in Fortführung der VDI 3814 − das leistungsfähige BACtwin-BAS entwickelt und auf der ICONAG-Tagung erstmals vorgestellt.
André Höhne erläuterte den BACtwin-BAS, der maschinenlesbar, benutzerfreundlich und zukunftssicher konzipiert ist. Mit Hilfe des BACtwin-BAS können Menschen und Maschinen die Dateninhalte erkennen und eindeutig interpretieren. Spezialisierte Prüftools können die standardisierten Massendaten für Planung, Ausführung und Betrieb 1:1 validieren. Die Grundelemente des BACtwin-BAS werden nachfolgend erläutert.
Die Bestandteile (BAS-Blöcke) und Anwendungsbeispiele des BAS
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430 | Raumlufttechnik |
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VKA01 | Vollklimaanlage |
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VEH01 | Vorerhitzer |
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ZU~ | Zuluft (Einbauort des Aggregates) |
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EF~01 | ein oder mehrere Betriebsmittel |
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TSL01 | Untertemperaturschalter |
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GM~01 | Gefahrmeldung |
Im BACtwin-BAS bilden ein Kürzel und die zugehörige Bezeichnung jeweils ein Unikat. Damit ist Eindeutigkeit gewährleistet. Kürzel sind in der Regel dreistellig und Durchnummerierungen zweistellig. Hat ein Kürzel weniger als drei Zeichen, so werden fehlende Zeichen mittels Tilde (wie T~~) aufgefüllt. Ein leerer Block wird mit Rauten (#####) aufgefüllt.
Wichtige Informationen enthält der neue Block „Medium, Einbauort“. Das Medium wird mit zwei Buchstaben abgebildet (zum Beispiel HZ = Heizwasser); ein dritter Buchstabe kennzeichnet den Einbauort (zum Beispiel V = Vorlauf); die drei Buchstaben ergeben zusammen: HZV = Heizwasser Vorlauf (siehe BACtwin-Beispiel Baugruppe VEH01).
Im BACtwin-BAS wird − in Weiterentwicklung der VDI 3814 Blatt 4.1 − zwischen Aggregat und Betriebsmittel unterschieden. Damit kann strukturell zwischen einfachen Sensoren und Mehrfachgeräten (zum Beispiel Raumbediengeräten) unterschieden werden.
Das BACtwin-BAS definiert nur die funktionsbezogene Adressierung. Eine standardisierte Vorgabe für Orts-BAS ist wegen der unterschiedlichen Örtlichkeiten nicht sinnvoll. Die zuständige Organisation soll den Orts-BAS organisationsweit einheitlich, eindeutig und zukunftssicher definieren.
Ergänzend berichtete Sören Zeuner, GA-Leitung der TU Braunschweig und Mitarbeiter im AMEV AK BACtwin, am 23.05.2023 im Rahmen der Wiederholung der ICONAG-Fachtagung über die automatisierte Übersetzung von Bestands-BAS in den BACtwin-BAS. Übersetzungen können hilfreich sein beispielsweise bei der Sanierung von Automationsanlagen, Migration von Automationsanlagen, Anpassung von Bestandsanlagen an ein durchgängiges Betreiberkonzept oder dem automatisiertem Erstellen von MBE-Anlagenbildern. Herr Zeuner entwickelte für die Übersetzung ein Excel-basiertes Tool. Bei einem Praxistest in einem hoch technisierten Gebäude mit 5.000 DP waren mit dem Tool circa 80 Prozent des Bestands-BAS automatisiert in das BACtwin-BAS umsetzbar. Bedingungen dafür waren ein strukturierter Bestands-BAS, saubere Datenquellen (EDE-Files) und das händische Bilden von eindeutigen Argumenten. Die anderen Datenpunkte sind händisch mittels Schemata und Beschreibungen zu klären.
Praxis-Informationen zum Thema BACtwin enthält der Zoom-Vortag von Edelbert Löffler, Geschäftsführer des GA-Ingenieurbüro BGA, Hünenberg, Schweiz und Mitarbeiter im AMEV AK BACtwin. Herr Löffler berichtete im ICONAG-Webinar am 23.05.2023 über die praktischen Erfahrungen mit der ersten BACtwin-Anwendung in Deutschland bei einem Referenz-Projekt für die Versicherung Generali. Den Link zum Download der Vortragsunterlagen und zu der Aufzeichnung des ICONAG-Webinars finden Sie hier:
Zu den Autoren:
Jürgen Hardkop, Dipl.-Ing. MinR i. R, war ehemals als Referatsleiter Technische Gebäudeausrüstung im Bauministerium NRW in Düsseldorf tätig. Von 2000 bis 2012 war er AMEV-Mitglied und Obmann der AMEV-Empfehlungen Gebäudeautomation 2005 und BACnet 2007, von 2001 – 2007 AMEV Vorsitzender. Aktuell ist er Obmann im AMEV Arbeitskreis BACtwin.
André Höhne, staatlich geprüfter Elektrotechniker, verfügt über eine zehnjährige Erfahrung im Automobilbereich (CAE, Programmierung, 3D CAD, Projektleitung, Vertrieb) und ist seit zehn Jahren bei Bosch Building Automation (früher GFR) tätig. Er ist Leiter der GFR-Arbeitsgruppe „Useradresse“, der zukünftigen BAS-Empfehlung der Bosch Building Automation GmbH und seit 2021 Mitarbeiter im AMEV Arbeitskreis BACtwin.
Die ICONAG MBE (Management- und Bedieneinrichtung)-Software wurde als B-AWS (Bacnet Advanced Workstation) nach der aktuellen BACnet Revision 19 zertifiziert. |
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