am 05.11.2024 - 08:09 Uhr
Rund 90 Teilnehmer trafen sich im Gutenberg Digital Hub in Mainz und zeigten sich begeistert über die Vorträge und den Erfahrungsaustausch zum Thema „Digitalisierung des technischen Gebäudemanagements durch Einsatz des BACtwin“. Neben vielen anderen setzt das Bundesbauministerium bereits auf den BACtwin.
Bauherren, Planer und Betreiber von Liegenschaftsportfolios müssen künftig konkretere Vorgaben machen, um ihre Gebäude im Zuge der Digitalisierung sowie im Kontext des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und der Environmental Social Governance (ESG) effizienter und nachhaltiger zu planen und zu bewirtschaften. Sie hatten von der eintägigen Fachtagung wichtige Erkenntnisse erwartet und wurden nicht enttäuscht.
Experten der Branche boten ein spannendes Programm. Sie zeigten auf, welche Voraussetzungen die BACnet-Infrastruktur erfüllen muss, damit die Daten und Funktionen der Gebäudeautomation, Energie- und Verbrauchszähler sowie anderer Systeme und Werkzeuge durch Anwendung des BACtwins abstimmungsfrei geprüft und ausgetauscht werden können. Sie stellten die vielfältigen Vorteile für den Einsatz des BACtwin bei Gebäudeplanung, -Inbetriebnahme und -betrieb heraus.
Den Start machte der Vortrag zu den Grundlagen des BACtwin und der Verbreitung fünf Jahre nach seiner Geburt. Referent war Dipl.-Ing. Jürgen Hardkop, Obmann des AMEV-AK BACtwin. Er beleuchtete den BACtwin von der Einführung über die Akzeptanz und Weiterentwicklung bis zum aktuellen Stand der Systemintegration.
Der Titel des anschließenden Vortrags von Dipl.-Ing. (FH) Christoph Bergfeld, Leiter Planung Gebäudeautomation bei der M & P Braunschweig GmbH, lautete: „Der BACtwin als Antwort auf die Herausforderungen der Systemintegration“. Er informierte über die wichtige Rolle einer funktionierenden Gebäudeautomation für die technische Funktion des Gebäudes. Zum Einsatz des BACtwin 2024 lautete sein Fazit: „Der BACtwin Ist eine Chance zur Vermeidung von Informationsverlusten.“ Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund steigender Anforderungen wichtig, beispielsweise der immer weiter zunehmenden Komplexität der technischen Gebäudeausrüstung (Smart Building, GEG2024, Abkehr von fossilen Energieträgern), deren Planung (BIM, Anlagenabhängigkeiten, Inbetriebnahmemanagement, Monitoring), des Betriebs (Monitoring, OT-Security, Anlagenabhängigkeiten) und der sinkenden Zahl von Fachkräften.
Über den BACtwin als Grundlage für eine erfolgreiche Energiewende in Nichtwohngebäuden sprach Jürgen Langstein, Consultant bei Delta Controls Germany und Mitarbeiter der AMEV-Arbeitsgruppe BACtwin. Er erklärte die Ziele und im BACtwin berücksichtigten Funktionen wie Datenaufzeichnung für energetisch relevante Informationen, Überwachung energetischer Fehlfunktionen, vereinfachte Datenübergabe an andere Systeme sowie moderne Regel- und Steuerstrategien.
Über ihre Erfahrungen aus der praktischen Anwendung berichteten Michael Dietrich, GA Pro Engineering Dietrich & Oertel GBR, Felix Schneider vom TÜV Süd und Christoph Zeis, Energiedienstleistungsgesellschaft (EDG) der Kreise Ingelheim, Bad-Kreuznach und Alzey-Worms. Sie informierten über die erheblichen Vorteilen des BACtwin in der Planung von realisierten Projekten, zum Beispiel im CO2-neutralen Campus Schifferstadt.
Das BACtwin Benutzeradressierungssystem (kurz BACtwin BAS) als Vorlage für ein allgemeingültiges Adressierungssystem im Einklang mit der VDI3814 erläuterten André Höhne von Bosch Building Automation und Mitglied im AMEV-Arbeitskreis BACtwin sowie Daniel Rörich, technischer Berater bei ICONAG. Fazit: mit dem BACtwin BAS der AMEV liegt erstmalig ein einheitliches Adressierungssystem vor, das für alle Gebäudeportfolios angewendet werden kann. In Kooperation mit der TU Braunschweig und dem Unternehmen Entendix wurden KI-basierte Strategien zur Migration bestehender Adressierungssysteme unterschiedlicher Bauabschnitte und Hersteller auf das BACtwin BAS vorgestellt. ICONAG bietet auf ihrer Website eine Lösung zur Konvertierung und Vereinheitlichung bestehender Benutzeradressierungssystemen beziehungsweise Anlagenkennzeichnungsschlüssel im Immobilienbestand in den allgemeingültigen BACtwin-BAS. Eine Landingpage zur kostenlosen Testkonvertierung steht hier zur Verfügung:
Wie der BACtwin die Anforderungen des § 71a Gebäudeenergiegesetz erfüllen kann, erläuterte Dipl. Ing. Christian Wild, Geschäftsführer der ICONAG-Leittechnik, in seinem Vortrag. Er stellte heraus, was der BACtwin leisten kann, wie sehr er die Digitalisierung des technischen Gebäudemanagements vereinfacht und welche weiteren Vorteile sich ergeben. Er fasste die Pluspunkte zusammen: 1. Kostenersparnis: deutlich geringerer Aufwand durch Durchgängigkeit der funktionalen Daten des GA-Systems durch echte Herstellerneutralität aufgrund der Schließung einer vor 20 Jahren entstandenen Normungslücke bezüglich der Vorgaben für die Eigenschaften der Datenpunkte. 2. Qualität: Reduktion von Fehlern bei Planung und Ausführung von Gebäudeautomationssystemen, hundertprozentige Prüfbarkeit der Programmierung der Automationsstationen und vereinfachte, einheitliche Systembedienung über alle Hersteller und Gewerke. 3. Investitionssicherheit: geforderte Schnittstelle nach § 71a Gebäudeenergiegesetz, Sicherstellung eines herstellerübergreifenden technischen Monitorings und effizienten Energiemanagements, Grundlagen für die weitere Digitalisierung (Facility und Assetmanagement), Sicherstellung der Datenhoheit beim Eigentümer beziehungsweise Betreiber.
Patrick Lützel vom TÜV Süd umschrieb die aktuellen Herausforderungen im Immobilienmanagement mit der Kernthese: „Alle Gebäude, die in den letzten zehn Jahren errichtet wurden, funktionieren nicht richtig“. Das schlage sich in zusätzlichen Betriebskosten, zusätzlichen CO2-Emissionen, geringem Nutzerkomfort und intensivem Wartungsaufwand nieder.
Der gesetzliche Rahmen sowie die Förderungen reichten nicht aus. Der europäische Green Deal mit einer geforderten Klimaneutralität bis 2050 könne so nicht erreicht werden. Die vorgegebene Sanierungsquote von zwei Prozent werde nicht eingehalten, sondern liege nur bei circa einem Prozent. Lützel betonte, dass Neubauten heute auf einer gesetzlichen Basis entstehen, die nicht ausreiche – insbesondere finde keine verpflichtende CO2-Bilanzierung und keine Berücksichtigung der Kreislauffähigkeit statt. Dabei existierten im Jahr 2050 noch 85 bis 95 Prozent der heutigen Gebäude. Daher müssten diese nachhaltig betrieben werden.
Die Anforderungen des GEG 2024 an die Gebäudeautomation lauten: Digitalisierung des Gebäudesektors, Gewerke/Systeme müssen „intelligent“ und „kommunikativ“ ausgeführt werden und Energieverbräuche müssen bereitgestellt und überwacht werden (Monitoring).
Mit dem BACtwin werde die Standardschnittstelle für das technische Monitoring in Nichtwohngebäuden ermöglicht.
Dass es auch Changemanagement-Erfahrungen und kritische Erfolgsfaktoren für die BACtwin-Einführung gibt, legte Nico Frühinsfeld von AL-KO Air Technology dar. Er erläuterte die allgemeinen Probleme des Neuen und der konstruktive Umgang damit und gab Verhaltensempfehlungen für Sender und Empfänger von Ideen, für Selbstreflexion und Erweiterung der Einflusssphäre.
Zum Ende der Tagung ergab die Abschlussdiskussion folgendes Resümee:
Bauherren und Betreiber von Liegenschaftsportfolios stehen vor großen Herausforderungen im Gewerk Gebäudeautomation. Im Kontext des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und der Environmental Social Governance (ESG) sowie der Digitalisierung müssen Bauherren und Investoren ihren Planern und Errichtern konkrete Vorgaben machen, damit die Gebäude nachhaltig gesetzeskonform geplant und bewirtschaftet werden. Der BACtwin ist ein wichtiges Werkzeug, die Grundlage für eine durchgängige Digitalisierung des technischen Gebäudemanagements zu schaffen und die für die Energiewende notwendige Effizienzverbesserung und Verbrauchsoptimierung im Gebäudebetrieb zu erreichen.
Die AMEV-Empfehlung "BACtwin" der staatlichen und kommunalen Verwaltungen ist hier wegweisend. Der BACtwin wurde bereits von einigen Betreibern großer Immobilienportfolios im Rahmen ihrer BACnet-Lastenhefte eingeführt.
Erfreut vom erfolgreichen Verlauf der Tagung teilte ICONAG-Geschäftsführer und Veranstalter Christian Wild mit, dass sich das nächste und dritte BACtwin-Forum bereits in der Planung befindet. Termin ist der 23. September 2025.
Erlass des Bundesbauministeriums zur Einführung des BACtwin für alle Bundesbauten
„Der Begriff „BACtwin“ steht für „Digitaler Zwilling in der Gebäudeautomation mit BACnet“ und orientiert sich am Digitalen Zwilling im Kontext von Industrie 4.0 und an BIM im Bauwesen. Kernstück ist die BACtwin-Bibliothek, deren Templates und Tabellen das BACtwin-Datenmodell (XLSX) definieren. Das Datenmodell unterstützt einen medienbruchfreien Datenaustausch, ermöglicht automatisierte 1:1-Prüfungen und erhöht so die Leistungsfähigkeit der Planungs-, Engineering-Tools und Prüf-Tools deutlich. Aus diesem Grund führe ich die neu erstellte AMEV-Empfehlung „BACtwin“ (Nr. 174) ein.“
Ministerialdirektor Dirk Scheinemann, Leiter der Abteilung Baupolitik, Bauwirtschaft, Bundesbau, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.
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