am 21.05.2024 - 08:50 Uhr
Große Nichtwohngebäude haben enorme Energieeinsparpotenziale. Dem tragen die überarbeitete EU-Gebäuderichtlinie EPBD (Energy Performance of Buildings Directive (siehe cci271595) und damit verbunden das Gebäudeenergiegesetz (GEG, deutsche Lesefassung siehe cci262361) Rechnung und rütteln Betreiber und Inhaber von Nichtwohngebäuden auf. Denn deren neue Vorgaben verpflichten zur Gebäudeautomation. Sie schreiben vor, bis 31. Dezember 2024 Gebäudeautomations- und -steuerungssysteme sowie das Monitoring in allen bestehenden und neuen Nichtwohngebäuden ab 290 kW Gesamtnennleistung für Heizung und/oder Lüftung und Klimatisierung vorzusehen. Darunter fallen beispielsweise Geschäftsgebäude, Produktionsstätten, Bürogebäude, Schulen und viele kommunale Gebäude. Viele Betreiber von Immobilien müssen jetzt zeitnah Maßnahmen zur Digitalisierung sowie für mehr Transparenz und Energieeffizienz ergreifen. Aber wie können sich Immobilienbesitzer und Verwaltungen auf die Anforderungen vorbereiten und diese umsetzen?
Grundvoraussetzung für die effiziente Nutzung der Gebäudeautomation ist, dass diese vernünftig gemanagt wird. Sie muss kontinuierlich überwacht werden, damit Gebäudenutzung und -bewirtschaftung im Einklang bleiben, Fehleinstellungen korrigiert werden und defekte Anlagen erkannt und instandgesetzt werden können. Wie typische Fehler beim Management von Gebäudeautomation im Betrieb vermieden werden und wie die Vorgaben des GEG an Heizung, Kühlung und RLT sowie Warmwasserversorgung technisch umgesetzt werden können zeigt der erste Beitrag einer neuen Serie auf cci Wissensportal. Welche konkreten Anforderungen sich aus dem GEG für die einzelnen Gewerke ergeben, wird mit Unterstützung verschiedener Experten der betroffenen Gewerke in weiteren Fachbeiträgen aufgezeigt.
Rechtlicher Rahmen und Richtlinien Gebäudeenergie International – ISO EN DIN 50001 „Energiemanagementsysteme – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung“ (2018) – ISO EN DIN 52120 Teil 1, Entwurf „Energieeffizienz von Gebäuden – Einfluss von Gebäudeautomation und Gebäudemanagement“ (2018) inklusive Liste der Funktionen für Energieeffizienz von Gebäuden – ISO EN DIN 16484, Teil 1, Entwurf „Systeme der Gebäudeautomation (GA)“ (2022). Europa – VO (EU) 2019/2088 EU Taxonomie-Verordnung „Green Deal“ – Richtlinie 2010/31/EU (Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden / European Performance of Buildings Directive EPBD, Update 2024) – Richtlinie 2012/27/EU „Energieeffizienzrichtlinie“ (EnEff-RL, 2004, Update 2021) – DIN EN 15232 Teil 1 „Energieeffizienz von Gebäuden – Teil 1: Einfluss von Gebäudeautomation und Gebäudemanagement“ (2017), unter anderem mit Auswirkungen von Gebäudeautomation und technischem Gebäudemanagement auf die Energieeffizienz von Gebäuden. – DIN EN 16247 Teil 1 „Energieaudits: Allgemeine Anforderungen“ (2022). Deutschland – Gebäudeenergiegesetz (GEG): Zusammenfassung von Energieeinsparungsgesetz (EnEG), Energieeinsparverordnung (EnEV) und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG), Umsetzung der European Performance of Buildings Directive (EPBD) – DIN V 18599 „Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung“ (2018) – VDI-Reihe 3814 „Gebäudeautomation (GA)“ (2019)
Abbildung 1: Es gibt viele Vorgaben zum rechtlichen Rahmen (grau) sowie für Planung und Bau (blau), aber wenig konkrete Anleitungen, speziell für den Betrieb von Gebäuden (grün).
Bis 2020 realisierte Einsparungen in Gebäuden
Zunächst ein kurzer Rückblick: Laut Plänen der Europäischen Union hätte der Energieverbrauch in Wohn- und Nichtwohngebäuden deutschlandweit von 2008 bis 2020 um 20 % sinken sollen. Realisiert wurden lediglich 9,7 %. Die aus den verschiedenen Regelwerken und Gesetzen resultierenden Verpflichtungen, aufwändige Technik einzusetzen, entfaltet im Betrieb also wenig Wirkung, unter anderem weil die Funktionalität im Betrieb nicht gewährleistet und überprüft wird.
Drei Viertel dieser Gebäude sind momentan nicht ausreichend emissionsfrei beziehungsweise „klimafit“. Derzeit wird nur ein Prozent der Gebäude in der EU pro Jahr energetisch saniert. Das bedeutet, dass bei gleichbleibendem Tempo bis 2050 nur etwa 26 % des Gebäudebestands modernisiert sein werden.
Einsparpotenziale durch Gebäudeautomation
Geplant gemäß den Vorgaben der VDI-Reihe 3814 „Gebäudeautomation (GA)“ (2019), sind indes sämtliche energetischen Prozesse in Gebäuden beherrschbar. Schon seit den 1990er Jahren ist dies Stand der Technik, wobei bislang Inselsysteme einzelner Hersteller propagiert wurden. Dies gestaltet ein gewerke- und systemübergreifendes technisches Gebäudemanagement schwierig. Und die Energieeinsparung stellt sich nicht „automatisch“ ein. Vielmehr braucht es das Zusammenspiel aller Gewerke.
Wirtschaftlichkeit
Erwiesen ist, dass Maßnahmen des aktiven Energiemanagements, also der Nutzung der technischen Möglichkeiten der Gebäudeautomation für eine bestmöglich effiziente Steuerung aller gebäudetechnischer Anlagen in einem Gebäude, im Einklang mit dem Nutzerverhalten Energieeinsparungen von 5 bis 20 % bringen und sich in weniger als zwei Jahren amortisieren. Quelle (Introduction to Building automation, controls, an technical Building Management, RHEVA Guidebook No. 22, eu.bac, 2017).
Grundvoraussetzung für die effiziente Nutzung der Gebäudeautomation ist, dass diese vernünftig gemanagt wird. Sie muss kontinuierlich überwacht werden, damit Gebäudenutzung und -Bewirtschaftung im Einklang bleiben, Fehleinstellungen korrigiert werden und defekte Anlagen erkannt und instandgesetzt werden können. Ein schlecht gemanagtes Gebäude verbraucht 30 % mehr Energie und stößt 30 % mehr CO2 aus als ein Gebäude, das optimal gemanagt wird (Quelle: REHVA - eu.bac, Hans Kranz, Introduction To Building). Leider ist schlechtes Management heute immer noch die Realität in vielen Nichtwohngebäuden.
Typische Fehler im Betrieb
Folgende Beispiele typischer Fehler zeigen die Herausforderungen beim Management von Gebäudeautomation im Betrieb:
Vorgaben des GEG an Heizung, Kühlung und RLT sowie Warmwasserversorgung
Das Gebäudeenergiegesetz soll jetzt Abhilfe schaffen. Es gilt für Wohn- und Nichtwohngebäude und ist eine Zusammenfassung vormals geltender Gesetze (Energieeinsparungsgesetz (EnEG), Energieeinsparverordnung (EnEV) und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG)). Auch werden darin Anforderungen der European Perfomance of Buildings Directive (EPBD) aus dem Jahr 2018 in nationales Recht überführt. Das GEG regelt insbesondere
Damit macht das GEG auch konkrete gesetzliche Vorgaben, die für den Betrieb von Gebäuden gelten und stellt deren Nichteinhaltung teilweise unter Strafe.
Da die energetischen Systeme zunehmen komplex sind, lassen sich einige Vorgaben an die Heizungs-, Kühl- und Raumlufttechnik sowie die Warmwasserversorgung in Nichtwohngebäuden kaum ohne eine vernetze Gebäudeautomation erfüllen. Diese sind beispielsweise im GEG:
Bemerkenswert ist, dass der Gebäudeautomation im aktuellen GEG mit §71a ein eigener Paragraf gewidmet ist. Dieser enthält umfangreiche Vorgaben für den Betrieb von größeren Nichtwohngebäuden (ab 290 kW thermischer Anschlussleistung). Diese Vorgaben sind nicht ohne weiteres umsetzbar, sondern erfordern, die Gebäudeautomation sorgfältig zu planen und umzusetzen.
Umsetzung des GEG: Was ist konkret zu tun?
Paragraf §71a, Absatz 2, Satz 2, fordert, dass „die erhobenen (Energie-)Daten über eine gängige und frei konfigurierbare Schnittstelle zugänglich gemacht werden, sodass Auswertungen firmen- und herstellerunabhängig erfolgen können“.
a) Offene Schnittstellen sichern
Wie genau diese Schnittstelle aussehen muss, ist nicht spezifiziert. Firmen- und herstellerunabhängig lässt sich dies am sichersten über eine herstellerneutrale Managementebene gewährleisten. Solche Systeme verzichten auf eine proprietäre Datenhaltung und bedienen per se alle marktüblichen Schnittstellen.
b) Auf Interoperabilität achten, zum Beispiel über BACnet
Paragraf §71a fordert in Absatz 3, dass neu zu errichtende Nichtwohngebäude mit einem Gebäudeautomationssystem ausgestattet werden müssen. Dabei muss „sichergestellt sein, dass dieses System die Kommunikation zwischen miteinander verbundenen gebäudetechnischen Systemen und anderen Anwendungen innerhalb des Gebäudes ermöglicht und gemeinsam mit anderen Typen gebäudetechnischer Systeme betrieben werden kann, auch bei unterschiedlichen herstellereigenen Technologien, Geräten und Herstellern.“ Absatz 4 erweitert dies Anforderung auch auf Bestandsgebäude, die bereits mit einem Gebäudeautomationssystem ausgestattet sind. Diese Gebäude müssen bis 31. Dezember 2024 die Kommunikation miteinander verbundener gebäudetechnischer Systeme sicherstellen beziehungsweise sind entsprechend nachzurüsten. Damit wird für die GA faktisch ein offenes, herstellerübergreifendes Kommunikationsprotokoll wie BACnet, KNX oder ModBus für Neubauten vorgeschrieben. Nur mit Geräten, die grundsätzlich solche Protokolle zur Kommunikation verwenden, kann die geforderte sogenannte Interoperabilität gewährleistet werden. Für Bestandsgebäude bedeutet dies, dass proprietäre Protokolle über Gateways ertüchtigt werden müssen, damit die Kommunikationsfähigkeit der gebäudetechnischen Systeme untereinander gewährleistet wird.
c) Vorgaben zur Interoperabilität machen, zum Beispiel durch den BACtwin
Bei KNX ist die Interoperabilität einfach gewährleistet, doch sind die Anwendungen weitgehend auf die Raumautomation beschränkt. Dass BACnet nicht gleich BACnet ist, ist vielen Betreibern in den letzten Jahren klar geworden, da proprietäre Auslegungen der herstellerneutralen Erweiterung von Anlagen, dem gewerkeübergreifenden Energiemanagement und der abstimmungsfreien Digitalisierung von Prozessen im technischen Gebäudemanagement im Wege stehen. Insbesondere wenn sie die Verantwortung für größere Immobilienportfolios haben. Viele proprietäre Hersteller haben BACnet-Lösungen verkauft, die keine wirkliche abstimmungsfreie Interoperabilität der gebäudetechnischen Systeme ermöglichen, es sei denn, alle Systeme werden mit demselben Hersteller automatisiert. Bei ModBus verhält es sich analog. Hier ist auch die Kommunikation grundsätzlich offen, jedoch bedarf die Umsetzung der Interoperabilität noch mehr Vorgaben seitens des Bauherrn. Daher erstellen viele Betreiber größerer Immobilienportfolios Gebäudeautomations-Lastenhefte, um darin die wichtigsten Vorgaben zu machen. Wer heute sicher gehen will, dass seine Gebäudeautomation den Interoperabilitätsanforderungen des GEG gerecht wird, sollte die jüngst von der AMEV veröffentlichten Vorgaben zum BACtwin aufgreifen und auf dieser Basis sein GA-Lastenheft beziehungsweise BACnet-Lastenheft formulieren. Dieses kann sowohl für Neubauten als auch im Bestand die Grundlage sein. Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt: Mit dem BACtwin schafft man auch eine solide Grundlage für abstimmungsfreie Schnittstellen zu weiteren Systemen im Zuge der Digitalisierung, zum Beispiel technisches Monitoring, Wartungsmanagement oder ESG-Reporting (Environmental Social Governance, zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung).
Vorschau: Teil 2 bis 4 der Serie über die technische Umsetzung der GEG-Anforderungen an die Gebäudeautomation
Welche konkreten Anforderungen sich aus dem GEG für die einzelnen Gewerke ergeben, wird mit Unterstützung verschiedener Experten der betroffenen Gewerke in weiteren Fachbeiträgen aufzeigen.
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